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Die Bartensteinkapelle

Die Tochter des Brauereidirektors Caspar Bartenstein war im Alter von zehn Jahren an einem schweren Schilddrüsenleiden erkrankt. Die Ärzte rieten dem Ehepaar Bartenstein zu einer Operation. Der Ausgang aber schien ungewiss und im schlimmsten Fall hätte der vollständige Verlust der Stimme des Mädchens gedroht. Bartenstein gelobte, für den Fall, dass alles gut gehe, die Errichtung einer Kapelle. Das Mädchen Julie wurde operiert, erholte sich wieder vollständig, und der Vater hielt sein Versprechen. Er ließ von Ferdinand Andri aus St. Pölten eine Kapelle im neugotischen Stil errichten und stattete sie mit einem Altarbild und einer geschnitzten Madonna aus. An den beiden Flügeln der hölzernen Tür erinnern die Initialen an das Ehepaar Bartenstein: KB und JB (Kaspar Bartenstein und Juliana Bartenstein). Am Pfingstsonntag 1892 wurde die Kapelle feierlich eingeweiht.  

Nach dem Tod Caspar Bartensteins ging das gesamte Betriebsareal an die Brauerei über. Die Kapelle blieb jedoch in Familienbesitz. Als Bartensteins Tochter Julie erwachsen war, kümmerte sie sich selbst um die Pflege der Kapelle, die für sie immer ein Ort der Hoffnung blieb. Als ihr Sohn Eugen 1914 Begeisterung für den Kriegsbeginn zeigte, empfahl sie ihm das Buch „Die Waffen nieder“ von der späteren Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner, das ihn zum Umdenken brachte. Ihm blieb schließlich der Kriegseinsatz sogar erspart und sie stellte als Dank dafür eine Herz Jesu-Statue in die Kapelle. Hinzu kamen noch eine Josefstatue, ein Altartuch und ein Bild, das Julie Wüster selbst gemalt hatte. Sie allein besaß den Kapellenschlüssel, den sie an einer langen Kette mit vielen anderen Schlüsseln um ihren Hals trug.  
Später gelangte die Kapelle in das Eigentum der Familie Riedmüller. Eugen Wüster kaufte am 11. Mai 1967 die Kapelle um einen Schilling zurück. Sein Sohn Thiele Wüster verkaufte diese 1984 – abermals um einen Schilling – an die Österreichische Brau AG mit der Auflage, dass die Kapelle in der Obhut der Brauerei bleiben und für ihre Pflege gesorgt werden müsse. In der Folge gelangte sie im Zuge des Verkaufs des Brauereigeländes an die Eigner des Einkaufszentrums, von welchen schlussendlich die Stadtgemeinde Wieselburg mit Gemeinderatsbeschluss vom 14. Dezember 2005 das sakrale Kleinod um den symbolischen Betrag von einem Euro erwarb. Damit wahrt Wieselburg das Andenken an einen großen und sozialen Mann seiner Stadt, an Caspar Bartenstein.  

Ursprünglich war die Kapelle im Betriebsgebiet der Brauerei im Markt, direkt an der scharfen Biegung der Straße nach Ybbs gelegen. Als 1962 die Straße verlegt wurde, entstand ein beschaulicher Platz rund um die Kapelle. In den 1990er Jahren wurde die Brauerei abgerissen und ein Einkaufszentrum entstand an ihrer Stelle.  

2008 wurde die Kapelle fachgerecht generalsaniert. Das alte Mauerwerk wurde von Grund auf trocken gelegt, die Glasfenster wieder komplettiert, die Türe frisch gestrichen und auch der Altar und die Heiligenstatuen wurden einer Sanierung unterzogen. Die Madonna wurde gefasst und erfreut nun mit ihren prächtigen Farben das Auge des Besuchers.  Die gefällige Farbgebung der Kapelle entspricht etwa ihrem ursprünglichen Äußeren.  

Im kirchlichen Leben der Stadt hat die Kapelle eine wichtige Bedeutung. Jedes Jahr wird dort die letzte Maiandacht des Jahres gefeiert.